Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Allerdings gibt es auch Sonderfälle, in denen dies nicht gilt. So war es hier. Ein Arbeitnehmer hatte sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sich genau an diesem Tag krank schreiben lassen und die Krankschreibung ging genau so lange, wie das Arbeitsverhältnis nach der Eigenkündigung noch dauern sollte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn es Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gibt. Diese Zweifel hatte das Bundesarbeitsgericht vorliegend: Die Koinzidenz zwischen der Kündigung und der am selben Tag ausgestellten Krankschreibung und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründete für das Gericht einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. In einem solchen Fall müsste der Arbeitnehmer seine Krankheit beweisen - etwa durch ärztlichen Zeugenbeweis. Das hatte der Arbeitnehmer vorliegend nicht getan. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 –
Erfolgt eine Kündigung, für die eine Massenentlassungsanzeige notwendig wäre, ohne entsprechende Anzeige an die Bundesagentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung unwirksam. So viel ist sicher. Gleiches gilt, wenn das vorherige Konsultationsverfahren dem Betriebsrat gegenüber nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht durchgeführt wurde. Was aber gilt, wenn die Bundesagentur - was in der Praxis häufig vergessen wird - nicht über dieses Vorabverfahren dem Betriebsrat gegenüber gem. § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG unterrichtet wird? Die Rechtslage war spannend und bleibt spannend. Arbeitnehmern bietet sich derzeit jedoch aufgrund ungeklärter Rechtslage weiterhin ein Angriffsmittel gegen die Kündigung. Die unterlassene Übermittlung der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung an die Bundesagentur könnte nämlich eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung darstellen. Die Übermittlungspflicht soll jedenfalls sicherstellen, dass die Bundesagentur so früh wie möglich Kenntnis von den bevorstehenden Entlassungen erhält, um ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nun nicht selbst entschieden, sondern sie dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt, damit dieser die Frage beantwortet. Von dessen Antwort hängt dann ab, ob § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG ebenso wie andere Vorschriften als Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB anzusehen ist. In diesem Fall wäre eine Kündigung ohne entsprechende vorherigen Information bereits deshalb unwirksam. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21 (A) - Pressemitteilung vom 27.01.2022
Auch bei "Überrumpelung": ein vorschnell unterschriebener Aufhebungsvertrag bleibt meist wirksam! Keine zweite Chance gab das Bundesarbeitsgericht einer Arbeitnehmerin, die eine Aufhebungsvertrag ohne gewährte Bedenkzeit unterschrieben hatte. Ein Aufhebungsvertrag kann zwar unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein und ist dann ggf. unwirksam. Ob das der Fall ist, ist aber anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Eindeutig hierzu das Bundesarbeitsgericht: Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21 –, gemäß Pressemitteilung vom 24.02.2022