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Vorsicht bei vorschneller Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag

Thomas Schelp • 23. März 2022
Auch bei "Überrumpelung": ein vorschnell unterschriebener Aufhebungsvertrag bleibt meist wirksam!

Keine zweite Chance gab das Bundesarbeitsgericht einer Arbeitnehmerin, die eine Aufhebungsvertrag ohne gewährte Bedenkzeit unterschrieben hatte.

Ein Aufhebungsvertrag kann zwar unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein und ist dann ggf. unwirksam. Ob das der Fall ist, ist aber anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Eindeutig hierzu das Bundesarbeitsgericht: Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21 –, gemäß Pressemitteilung vom 24.02.2022
von Thomas Schelp 22. April 2022
Ist die Vorlage einer gefälschten Impfunfähigkeitsbescheinigung ein fristloser Kündigungsgrund? Kann sein, so das Arbeitsgericht Lübeck. Im konkreten Fall hielt die Kündigung jedoch nur als ordentliche Kündigung. ` Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin als Krankenschwester beschäftigt. Im Zuge der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hatte sie ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung vorgelegt, die eine sechsmonatige vorläufige Impfunfähigkeit ausweist und die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland enthält. Die Bescheinigung wurde aus dem Internet ausgedruckt. Eine entsprechende Besprechung mit der Ärztin fand nicht statt. Daraufhin erhielt sie die außerordentliche fristlose Kündigung. Die außerordentliche Kündigung lehnte das Arbeitsgericht Lübeck ab. Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfunfähigkeitsbescheinigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, stellt eine schwerwiegende Arbeitsvertragsverletzung dar. Diese zerstört das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung. Aus § 20a IFSG ergibt sich für eine solche Konstellation kein arbeitsrechtliches Kündigungsverbot. Allerdings war die fristlose Kündigung angesichts der sehr langen Betriebszugehörigkeit unverhältnismäßig. ABER: Die hilfsweise ordentliche Kündigung unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist war aufgrund des Fehlverhaltens sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 14.04.2022, Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13.04.2022, 5 Ca 189/22
von Thomas Schelp 29. März 2022
Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt ein hoher Beweiswert zu. Allerdings gibt es auch Sonderfälle, in denen dies nicht gilt. So war es hier. Ein Arbeitnehmer hatte sein Arbeitsverhältnis gekündigt, sich genau an diesem Tag krank schreiben lassen und die Krankschreibung ging genau so lange, wie das Arbeitsverhältnis nach der Eigenkündigung noch dauern sollte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich vorgesehene Beweismittel. Dessen Beweiswert kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn es Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gibt. Diese Zweifel hatte das Bundesarbeitsgericht vorliegend: Die Koinzidenz zwischen der Kündigung und der am selben Tag ausgestellten Krankschreibung und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bescheinigten Arbeitsunfähigkeit begründete für das Gericht einen ernsthaften Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit. In einem solchen Fall müsste der Arbeitnehmer seine Krankheit beweisen - etwa durch ärztlichen Zeugenbeweis. Das hatte der Arbeitnehmer vorliegend nicht getan. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 –
von Thomas Schelp 23. März 2022
Erfolgt eine Kündigung, für die eine Massenentlassungsanzeige notwendig wäre, ohne entsprechende Anzeige an die Bundesagentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 KSchG ist die Kündigung unwirksam. So viel ist sicher. Gleiches gilt, wenn das vorherige Konsultationsverfahren dem Betriebsrat gegenüber nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht durchgeführt wurde. Was aber gilt, wenn die Bundesagentur - was in der Praxis häufig vergessen wird - nicht über dieses Vorabverfahren dem Betriebsrat gegenüber gem. § 17 Abs. 3 S. 1 KSchG unterrichtet wird? Die Rechtslage war spannend und bleibt spannend. Arbeitnehmern bietet sich derzeit jedoch aufgrund ungeklärter Rechtslage weiterhin ein Angriffsmittel gegen die Kündigung. Die unterlassene Übermittlung der an den Betriebsrat gerichteten Mitteilung an die Bundesagentur könnte nämlich eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung darstellen. Die Übermittlungspflicht soll jedenfalls sicherstellen, dass die Bundesagentur so früh wie möglich Kenntnis von den bevorstehenden Entlassungen erhält, um ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen zu können. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage nun nicht selbst entschieden, sondern sie dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt, damit dieser die Frage beantwortet. Von dessen Antwort hängt dann ab, ob § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG ebenso wie andere Vorschriften als Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB anzusehen ist. In diesem Fall wäre eine Kündigung ohne entsprechende vorherigen Information bereits deshalb unwirksam. Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21 (A) - Pressemitteilung vom 27.01.2022
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